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Der Untergang des Delphin

In der Sturmnacht vom 16. auf den 17. Dezember 1850 ging das kleine Dampfschiff "Delphin" in einer Sturmnacht unter. 13 Menschen verloren dabei ihr Leben auf dem Walensee.



Ein zeitgenössischer Bericht aus den Oberrheinischen Nachrichten vom 23. Mai 1914 berichtet über den Hergang des tragischen Untergang des Dampfschiffes "Delphin" auf dem Walensee:


Ein neuer Dampfer durchpflügt wieder die Fluten des Walensees. Das erinnert an den Untergang eines früheren Dampfers, des Delphin, in der Sturmnacht des 16./17. Dezember 1850. Kleine Dampfboote hatten damals auch den Postverkehr zu besorgen, seit dem Bau der Eisenbahn sind sie hierfür überflüssig geworden. Der wachsende Fremdenverkehr hat aber die Einführung eines neuen Dampfers wünschbar gemacht. Über den Untergang des Delphin lesen wir in zeitgenössischen Berichten nachstehende bemerkenswerte Schilderungen:


Auf dem Walensee hat sich in der Nacht vom Montag auf den Dienstag ein schreckliches Unglück zugetragen, das kleine Dampfboot Delphin ist mit Menschen und allem, was sich darauf befand, in die Tiefen des aufgeregten Sees versunken. Dreizehn Personen sind dabei ertrunken. Die schriftliche Kontrolle, welche einzig vollständige Auskunft hätte geben können, ist ebenfalls in die tobenden Fluten mitgerissen worden. Der vom Postbüro Chur verlangte Stundenpass enthielt für die verhängnisvolle Route einzig die Namen der Herren Morandi und Mondelli, italienische Kaufleute, und der von Frau Veraguth aus Thusis, wohnhaft in Stäfa. Die übrigen drei Passagiere, die man ausfindig machen konnte, sind erst auf dem Delphin die unglücklichen Passagiere jener Postreisenden geworden. Ihre Namen sind: Balthasar Kundert, Viehändler aus Betschwanden, Schirmmacher Josef Eichholz mit seinem kleinen Sohn aus Kirchberg. Der Heizer des Dampfschiffes hiess Wolfensberger und war stammte aus dem Kanton Zürich, ebenso stammte der Kondukteur Rosenstock aus dem Kanton Zürich und war Vater von fünf Kindern. Ausserdem gehörten zu den Verunglückten der Kapitän Staub, der ebenfalls aus dem Kanton Zürich stammte, der eine Witwe hinterliess, sodann der Kassier des Bootes, Franz Schlegel aus Walenstadt, Vater von acht Kindern und Gatte einer hoffenden Mutter, der Maschinenarbeiter Baumann aus Zürich, Vater von drei Kindern, sodann zwei Matrosen aus Weesen, Johann Joseph Beeler, ein junger Mann, ledig, dessen Vater vor drei Jahren im Linthkanal den Tod fand, und dessen Mutter mit drei jüngeren Töchtern nun um den Verlust der einzigen Unterstützung ihres Alters weint, und Franz Kid, ebenfalls ein junger Mann, unverheiratet, der einen alternden Vater hinterlässt, dem die Fluten des Walensees schon vor einigen Jahren einen Sohn erbarmungslos verschlungen.



Gegen Mitternacht erhob sich ein gewaltiger Sturmwind, der einige Stunden andauerte und der in den angrenzenden Ortschaften Gebäude beschädigte. Um dieselbe Zeit begann der Delphin, der den Nachtkurs der Churer-Basler Post zu besorgen hatte, seine beschwerliche Fahrt von Walenstadt nach Weesen. Es mochte Mitternacht oder etwas darüber gewesen sein. Während der Fahrt schien der Sturm sich ziemlich legen zu wollen, wenigstens blieb er zeitweise aus und regte sich in minder heftigen Windböen als zuvor. Dann aber um etwas halb zwei Uhr morgens erhob sich der Sturm mit neuer, ungeheurer Gewalt. Diesen gewaltigen Sturmböen ist das Schiff erlegen. Schiffsknechte, die in Weesen der Ankunft des Bootes harrten, bemerkten den Delphin in nicht mehr weiter Entfernung vom Ziel. Bestimmter wissen Bewohner der Gemeinde Amden, die der Sturm aufgeweckt und deren Blicke er auf den See gelenkt hatte, die Richtung anzugeben, in welcher das Dampfschiff in jenem furchtbaren Augenblick sich befand. Danach arbeitete das Schiff unfern vom Einfluss der Linth in den See, näher herwärts, also in einer Entfernung von etwa 20 Minuten vom Stapelplatz Weesen. Jene Bewohner erzählen dann auch, wie sie das Dampfboot heller erleuchtet als gewöhnlich, gesehen hätten, wie aber in einem Nu, als plötzlich der Sturmwind sich am heftigsten auszulassen begann, die leuchtenden Funken ausgelöscht gewesen seien, sodass man vom Schiff gar nichts mehr entdeckt habe. Am Morgen glaubte man noch in Weesen, das Schiff sei, vom Sturmwind zurückgeworfen, nach Walenstadt zurückgekehrt, während man sich in Walenstadt tröstete, es habe Weesen glücklich erreicht. Kundschafterschiffe, die am Morgen nach Walenstadt fuhren, lösten das dann das furchtbare Rätsel. Die gleiche niederschmetternde Kunde brachte das Dampfschiff "Splügen", um die Mittagszeit nach Weesen. Der Vorfall machte einen erschütternden Eindruck und der Schrecken und der herzzerreissende Jammer der Heimgesuchten lassen sich schwer beschreiben. Ein späterer Bericht fügt dieser Schilderung bei, dass die Behauptung, der Sturmwind habe sich schon vor der Abfahrt des Delphin bemerkbar gemacht, sei falsch. Zumindest habe das Schiff seine Abfahrt von Walenstadt um Mitternacht ruhig begonnen und nach Aussagen von Schiffsleuten des linken Ufers, bis über Quinten hinaus ohne Schwierigkeiten fortsetzen können. Danach scheint der furchbare Kampf sehr bald angefangen zu haben. Ein Schiffmann von Betlis erzählt, der Sturm habe schon beim Vorbeifahren des Dampfers daselbst schrecklich gewütet. Sein Auge verfolgte das Dampfschiff, bis es Einfalls des grossen Tobels von Amden ihm entschwand. Die Beobachtungen von Bewohnern des Ammonberges scheinen wohl auf Richtigkeit zu beruhen, wonach das Dampfschiff vor dem plötzlichen Verlöschen aller Lichter sich rückwärts bewegte, vielleicht, weil es dem Andrang der Wogen nicht mehr zu widerstehen vermochte. Ob das Schiff an dieser Stelle wirklich untergegangen oder nur die Lichter auslöschte, weiss niemand zu sagen. Von der Gewalt des Sturmes kann man sich eine Vorstellung machen aus der Angabe der Bewohner von Amden, die in der verhältnismässig schwachen Beleuchtung des Schiffes deutlich die Wellen zu unterscheiden vermochten, und aus den Angaben jenes Schiffmannes von Betlis, der von haushohen Wogen berichtete.


Ein aufgefundener Koffer, ein Reisesack, der Hut des Matrosen Kid, das Wams des Steuermannes Staub und eine Türe vom Dampfschiff sind die einzigen Überbleibsel aus dem Unglück. Aus der Auffindung des Wamses schliesst man, dass sich Staub nach dessen Entledigung durch Schwimmen zu retten suchte, ebenso scheint die Türe als Rettungsbrett abgenommen worden zu sein. Ergreifende Vorkommnisse spielten sich in Walenstadt ab. Die Schiffsleute des Nachtbootes Delphin pflegten den Tag in Weesen zu verbringen. Da pflegte die Frau des Geldeinnehmers Franz Schlegel das Mittagessen mit dem Tagboot "Splügen" nach Weesen zu senden. Die Schiffsleute vom Dampfschiff "Splügen" hatten sich nun eben am Morgen nach dem Unglück zur Fahrt bereit gemacht und hatten durch die von Weesen kommenden Kundschafterschiffe die schreckliche Kunde vernommen, als der Knabe von Franz Schlegel mit dem Mittagessen für den vermissten Vater daherkam. Die Schiffsleute nahmen ihm das Essen schweigend ab, unfähig, ein Wort über das Geschehene dem arglosen Kind zu sagen. Sie wandten sich ab, um ihm die Tränen zu verbergen und die Umstehenden brachen in lautes Schluchzen aus. Die Mannschaft des "Splügen" weigerte sich, zu den Tagfahrten auch noch die Nachtfahrten zu übernehmen. Mit den Nachforschungen nach dem "Delphin" wurde Hauptmann Lehmann aus Stäfa von der Dampfschiffverwaltung beauftragt. Ende Januar endlich wurde der "Delphin" zwischen Betlis und dem Glarner Ufer in einer Tiefe von mehr als 60 Klafter (1 Klafter entspricht 1,8 Meter, also 108 Meter) gefunden. Neben dem auf der Seite liegenden Dampfboot wurde der Leichnam des Matrosen Kid gefunden, das Angesicht war vom Schlamm unkenntlich geworden, dagegen gaben die Kleider und die Taschen Gewissheit über die Person. Endlich Ende Januar wurde mit 12 Ankern, welche an zwei Schiffen befestigt waren, das Schiff geborgen. Das mit manchen Schwierigkeiten verbundene Heraufwinden nahm mehrere Wochen in Anspruch. In Betlis wurde dann das Schiff völlig an das steinige Ufer gehoben, während Tausende von Neugierigen heranströmten. Nur drei Leichname wurden gefunden. Der von Viehhändler Balthasar Kundert auf dem Vorderdeck, die Frau Veraguth in der Kajüte des ersten Platzes und der Schirmmacher Eichholzer aus Kirchberg in der Kajüte zweiten Platzes. Dessen sechsjährigen Knabe scheint auf das Verdeck gesprungen und dort verschwunden zu sein, wie überhaupt die zurückgebliebenen Mäntel und Stiefel darauf hindeutete, dass die übrigen ihr Heil im Schwimmen suchten. Felleisen und Briefsäcke des Kondukteurs waren ebenfalls vorhanden, sowie das Kontrollbuch des Kapitäns. Der Dampfkessel war gesprungen, hingegen das Steuer unversehrt. Die meisten Beschädigungen am Dampfschiff waren offenbar lediglich eine Folge der Bergungsarbeiten. Die Gemächer waren teilweise mit Schlamm angefüllt, die Leichen waren weit besser erhalten, als die vor 2 ½ Monate ans Tageslicht gebrachte des Matrosen Kid. Sie wurden auf dem Friedhof in Weesen beerdigt. Das Schiff selber sollte bei günstigem Wasserstand durch den Linthkanal in den Zürichsee gebracht werden.


Das Dampfschiff "Delphin" war ein kleiner Dampfer, welcher der „Vereinigten Dampfschiffgesellschaft Zürich- und Walensee“ gehörte. Es war im Mai 1843 in Rapperswil SG vom Stapel gelaufen und hatte am 3. Juli gleichen Jahres seine Jungfernfahrt auf dem Zürichsee nach Zürich ausgeführt.


Im Mai 1845 kam es erstmals für zwei Wochen in den Walensee. 1846 erwarb es die Zürichsee-Walensee-Gesellschaft unter dem Vorsitz von Hans Caspar Escher. Escher-Wyss verlängerte das Schiff und baute es zum 80-plätzigen Raddampfer um. Im August 1850 wurde es endgültig auf den Walensee versetzt, wo es regelmässige Postkurse zwischen Weesen und Walenstadt übernahm.


Bei dem aus Glarus stammenden Viehhändler handelte es sich um Balthasar Kundert aus Rüti. Er wurde am 18. Februar 1802 in Rüti geboren und heiratete 1823 die aus Betschwanden stammende Verena Knobel (1802-1867). Kundert hinterliess neben der Witwe 9 Kinder. Von seinem Sohn Kaspar Kundert (1833-1898), der Wirt und Viehhändler in Wattwil war, gibt es noch heute lebende Nachkommen.


Die wahren und überlieferten Lebensgeschichten der Mannschaft und der Passagiere stehen im Zentrum des historischen Romans "Der Untergang des Delphin - Die "Titanic" vom Walensee"" von Emil Zopfi, der das Geschehen bis zur Bergung des Wracks und einer nationalen Hilfsaktion literarisch nachzeichnet.


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