top of page

Die Auswanderung nach Deutschland
 

Auswanderung nach Deutschland nach dem Dreissigjährigen Krieg (1618-1648)

 

Eine Katastrophe von fast unvorstellbarem Ausmaß verwandelte in der Mitte der 1630er-Jahre den Raum der Oberen Donau in eine teilweise verwüstete und weithin entvölkerte Landschaft. Von entscheidender Bedeutung waren dabei die direkten und indirekten Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648), bei dem gerade Süddeutschland zum Schlachtfeld und Aufmarschgebiet für alle kontinentaleuropäischen Großmächte wurde. Die Durchmärsche und Einquartierungen der Truppen, ganz egal ob es nun die eigenen oder die feindlichen Truppen waren, belasteten die Region gewaltig: Das Requirieren von Nahrungsmitteln, Diebstähle sowie die massive Störung der Feld- und Erntearbeiten steigerten die Not in der Region. Doch damit nicht genug: Mit den Soldaten kam auch die Pest und forderte unzählige Opfer.

 

Von 1634 an flohen zahlreiche Bewohner in die Fremde, v.a. in die Schweiz und nach Österreich. Doch bereits im letzten Jahrzehnt des Krieges änderten sich die Verhältnisse. Manch einer der Geflohenen kehrte zurück, vor allem aber strömten seit der Mitte der 1650er-Jahre Zuwanderer aus der Schweiz, Österreich und Bayern, oft im „Schlepptau“ der Rückkehrer, in die entvölkerten Städte und Dörfer an der Oberen Donau und der links- und rechtsufrigen Pfalz. Die Alpenländer waren vom Krieg nur wenig in Mitleidenschaft gezogen worden, im Gegenteil, sie litten in der Mitte des 17. Jahrhunderts an Überbevölkerung. Ein Großteil der Zuwanderer waren unverheiratete und offenbar meist geringbemittelte jüngere Leute. Sie traten oft in den Dienst größerer Bauern ein und verheirateten sich schließlich mit Einheimischen.

 

Die Zuwanderung geschah meist nach Konfessionen getrennt. In der katholischen Gegend der Oberen Donau ließen sich vor allem Zuzügler aus katholischen Schweizer Orten, den ebenfalls katholischen habsburgischen Alpenländern und aus Bayern nieder. Die wenigen Protestanten, so wohl auch die aus Glarus zugewanderten, wechselten fast immer, oft unter massivem Druck der Nachbarschaft, der Kirche und der Obrigkeit, ihre Konfession. Für die Protestanten kamen in erster Linie die reformierten kurpfälzischen Gebiete in Frage. Das Kraichgau, die Markgrafschaft Baden-Durlach und das Herzogtum Württemberg nahmen weder Katholiken noch Reformierte ohne Übertritt zur lutherischen Religion auf. 

 

Aufgrund der kriegsbedingten Entvölkerung wurde die Einwanderung auch durch die Herrscher gefördert. So lud Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz am 7. Mai 1650 Fremde zur Niederlassung ein: Er sicherte ihnen verschiedene Erleichterungen zu. So soll jeder, der ein Haus repariert, auf zwei Jahre, und derjenige, der ein neues Haus baut, auf drei Jahre von allen Lasten befreit sein. 

 

Das wichtigste Kriterium für die Aufnahme eines Zuwanderers als Bürger war aber sein mitgebrachtes Vermögen sowie seine Nützlichkeit für das Dorf und die Herrschaft. Anfangs wurden in den entvölkerten Gebieten noch überwiegend wirtschaftlich schwach bemittelte Personen aufgenommen. Diesen gelang nur in wenigen Fällen der Aufstieg in die bäuerliche Mittel- oder Oberschicht. Die meisten von ihnen verharrten wohl in der unterbäuerlichen Dorfarmut, als Taglöhner oder Söldner. Mit wachsender Bevölkerung verstärkte sich dann die Abneigung der Dörfer gegen den Zuzug weiterer Armer.

 

Das Zusammenleben mit den neuen Mitbürgern gestaltete sich nicht immer einfach. Alltägliche Reibereien konnten schnell in grundsätzliche Angriffe auf die Herkunft des Kontrahenten ausarten. Bei nicht wenigen Alteingesessenen lösten die „Fremden“ massive Ängste bis hin zu bösartigen Verdächtigungen und Unterstellungen aus. Nicht zuletzt die ungewohnten Eigenheiten und fremden Bräuche der Zuwanderer führten zu Irritationen und Konflikten.

 

Doch auch für die Herrschaft war der Zuzug am Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht ganz unproblematisch. Viele Auswanderer aus den eidgenössischen und österreichischen Alpenländern stammten aus Gebieten mit einer weit entwickelten kommunalen Selbstständigkeit. Nicht selten verweigerten die Zuwanderer deshalb die Ergebung in die Leibeigenschaft. Zähneknirschend war die Obrigkeit in der Anfangsphase zum Verzicht auf die Leibherrschaft bereit, seit dem Anstieg der Bevölkerungszahlen allerdings nicht mehr.

 

Zum Ende des 17. Jahrhunderts ebbte die Zuwanderungsbewegung in dem Maße ab, wie sich die Bevölkerungsentwicklung wieder dem Vorkriegsstand annäherte und die Widerstände gegen die Aufnahme von Armen wuchs.

 

Aufgrund der Sprachen- und Konfessionsgleichheit sowie der verbindenden bäuerlich handwerklichen Herkunft scheint die Integration der Zuzügler langfristig keine Probleme aufgeworfen zu haben. Spätestens in der Mitte des 18. Jahrhunderts sind die Immigranten zu überzeugten Schwaben und Pfälzer geworden, bei denen die Erinnerung an die Herkunft ihrer Vorfahren weitgehend verblasst ist.

 

Kriegerische französische Einfalle im angehenden 18. Jahrhundert trieben viele der dort angesiedelten Schweizer oder ihre Nachkommen später nach Holland, England, Preussen, Russland, und vor allem nach Nordamerika weiter.

Bis heute konnte ich die folgenden Familien identifizieren, die aus Glarus ins ferne Australien ausgewandert sind. Die Nachkommen beider Stämme leben heute noch in Australien.

 

Glarner Pioniersiedler in Deutschland

 

Joachim Jacober (1639-1669) aus Matt wanderte um 1660 nach Sontheim in Baden-Württemberg aus. Er heiratete dort Anna Braun aus Nellingen und gründete eine große Nachkommenschaft, die vor allem im Donaukreis ansässig blieb. Die Nachkommen waren Bauern, Fuhrleute, Schuhmacher, Metzger, Gastwirte, aber auch Küfer. Kinder von Jakob Jakober (1856-1902) wanderten nach Nordamerika aus, so Johannes (John) Jacober (1885-1980), Wilhelm (Willy) Jacober (1888-1969), Margarete Jacober (1891-1984) und Katharina Jacober (1893-1948).

 

 

*****************

 

Literatur über die Auswanderung nach Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg

 

Weber Edwin Ernst, Tirol in Schwaben, Zuwanderung nach dem Dreißigjährigen Krieg am Fallbeispiel der Pfarreien Verengen und Bingen, in ZHG 33 (1997), S. 7-20

 

Zbinden Karl, Zur schweizerischen Einwanderung in den Kraigau (Pfalz) nach dem Dreißigjährigen Krieg: zu einem Manuskript von Fritz Zumbach (Umringen bei Lörrach 1947), in Jahrbuch Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung, Band 1976, S. 48-74

Joachim Jacober
bottom of page