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Toni Zweifel – Was noch fehlt, ist ein Wunder

Mit der Heiligsprechung des Glarners Toni Zweifel wäre er der erste Glarner Heilige seit dem Heiligen Fridolin, dem Schutzpatron von Glarus. Doch wer ist das 1989 verstorbene Mitglied von Opus Dei?


Menschen aus aller Welt beten fleissig zu einem 1989 verstorbenen Zürcher Ingenieur: «Gott, barmherziger Vater, verherrliche gnädig deinen Diener Toni und erhöre auf seine Fürsprache gütig meine Bitte» lautet das Gebet, um Toni Zweifel anzurufen. Seine Fürbitte haben bisher über 500 Menschen aus 46 Ländern in Anspruch genommen.


Ein Physiker betete, worauf sich die Komplikationen bei seinem Experiment in Luft auflösten. Ein Informatiker wandte sich an Zweifel, bis ein lahmgelegtes Computersystem ohne ersichtli-chen Grund wieder lief, und ein Mitarbeiter einer Telekommunikationsfirma wurde kurz nach seiner Entlassung wieder engagiert - dank Toni Zweifel. Dies schreiben die Gläubigen in den Gebetsanhörungen auf der Website von Opus Dei Schweiz.


Bereits vor 20 Jahren hat Opus Dei den Prozess angestossen, um Toni Zweifel zuerst selig- und schliesslich heiligsprechen zu lassen. Vor kurzem wurden die Unterlagen dem Vatikan übergeben. Damit könnte Zweifel Glarus’ und Zürich’s erster moderner Heiliger werden, nach Fridolin in Glarus und Felix und Regula in Zürich.


Geboren wurde Toni Zweifel 1938 im italienischen Verona. Er war der Sohn von Antonia di Benedetto (1909-1985) und Jost (Giusto) Zweifel (1907-1985). Die Familie seines Vaters, eines vermögenden Textilfabrikanten aus Verona, stammte aus dem Kanton Glarus. Bereits seine Grosseltern, Fridolin Zweifel (1878-1954) und Barbara Zweifel geborene Zweifel (1879-1964) zogen aus Linthal in das Veneto, um dort die Leitung einer Textilfabrik zu übernehmen. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nimmt seine Mutter ihn und seine jüngere Schwester mit in den Kanton Glarus. 1944 kehrte er nach Italien zurück, nach San Giovanni Lupatoto in der Nähe von Verona, um seine Schulausbildung zu beginnen. Von 1949 bis 1957 besuchte er das Gymnasium in Verona. Danach entschied er sich für das Maschinenbaustudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Gegen Ende seines Studiums kam er in Kontakt mit Mitstudenten, die zum Opus Dei gehörten. Diese arbeiteten gerade daran, im Namen des Werkes ein Studentenheim auf die Beine zustellen.


Für Opus Dei mit der Freundin Schluss gemacht


Als das Studentenheim Fluntern seinen Betrieb aufnahm, zog auch Toni Zweifel ein, samt sei-ner Kaffeemaschine, obwohl es verboten war, elektrische Geräte auf dem Zimmer zu haben. Doch für die italienischen Gepflogenheiten Zweifels machte man eine Ausnahme, wie in seiner 2017 erschienen Biografie «Toni Zweifel, Geheiligter Alltag» steht. Zweifel begann sich immer stärker für Opus Dei zu interessieren und wurde 1962 Numerarier, wie die zölibatären Laien hiessen, die sich ganz für die Glaubensgemeinschaft einsetzen. Dafür machte Zweifel Schluss mit seiner Freundin.


Nachdem er wenige Jahre auf seinem Beruf gearbeitet hatte, wurde er Leiter des Studentenheims Fluntern und widmete sich dem Heim, seinen Bewohnern und den Bildungsangeboten des Opus Dei in Zürich. Dabei profitierte er von seinem grossen Beziehungsnetz und der finanziellen Unterstützung seiner Familie.


1972 gründete er die Zürcher Limmat-Stiftung, deren Geschäftsführer er für den Rest seines Lebens war. Dank einer Spende in Millionenhöhe entwickelte Zweifel die erste Dachstiftung der Schweiz. Diese existiert heute noch und hat derzeit 14 Unterstiftungen sowie mehrere zweckgebundene Fonds. Diese setzen sich für Ausbildungs- und Sozialprojekte in der gan-zen Welt ein, wie eine Primarschule in Kenia, ein Rehabilitationsprogramm für Kindersoldaten in Kolumbien und die Förderung von jungen Berufsfrauen in Indien.


Zwar steht die Limmat-Stiftung im Austausch mit Opus Dei, versteht sich aber weder als religiöse Stiftung, noch arbeitet sie im Auftrag der katholischen Institution. Dies sagt François Geinoz, Zweifels Nachfolger als Geschäftsführer am Sitz der Stiftung, einer imposanten Villa am Zürichberg, die vormals der Wohnsitz des italienischen Konsuls war. Geinoz ist ebenfalls Opus-Dei-Mitglied, wie auch einige Geldgeber. Lediglich ein Drittel der unterstützten Projekte seien jedoch mit dem Werk verbunden, sagt Geinoz. Dennoch sei die Stiftung katholisch geprägt, was sich vor allem im Menschenbild und in der Auswahl der unterstützenswerten Projekte auswirke. Dort legt man den Schwerpunkt auf Bildung, Arbeit und das Gemein-wohl der Menschen.


«Glauben nicht erschüttert, sondern vertieft»


1986 erkrankte Toni Zweifel an Leukämie, woran er 1989 starb. «Sein Umgang mit der damals unheilbaren Krankheit begründete die Verehrung, die er nach seinem Tod bekam», sagt Beat Müller, Sprecher von Opus Dei Deutschschweiz. Er habe die Diagnose voll angenommen. Sie habe seinen Glauben nicht erschüttert, sondern erst recht vertieft. «Das ist schon bemerkenswert», sagt Müller.


Zweifel bekam viel Besuch an seinem Krankenbett von Freunden, privaten und beruflichen Weggefährten. Mehrmals besuchte ihn auch die Opus-Dei-Spitze, der damalige Prälat und heute seliggesprochene Alvaro del Portillo. In diesen Kreisen wurden er und seine Lebensführung zum Vorbild, wie Beat Müller sagt. «Nach seinem Tod ist die Verehrung explodiert und hat sich international verbreitet.»


Im Jahr 2000 stiessen Opus-Dei-Mitglieder aus der Schweiz den Prozess zur Seligsprechung von Toni Zweifel an. Der Prälat setzte dafür den Opus-Dei-Priester Andreas Wildhaber als Postulator ein, der von da an für den Prozess verantwortlich war. Es sei wichtig, dass auch Menschen, die ein normales Leben geführt haben, selig- und schliesslich heiliggesprochen werden, sagt Wildhaber. «Es braucht Heilige aus unserer Zeit als Vorbilder.» Toni Zweifel erfülle dies etwa für heutige ETH-Studenten oder Ingenieure.


Während zwanzig Jahren hat Wildhaber Dokumente und Zeugnisse gesammelt. Die Diözese Chur hat 45 Zeugen vernommen, die Toni Zweifel kannten, um «seine zweifelsfreie Tugendhaftigkeit» festzustellen, wie dies als Voraussetzung für eine Seligsprechung in der römisch-katholischen Kirche verlangt wird. Der Aufwand ist gross, aber Wildhaber wurde dafür nicht zusätzlich entschädigt. Auch der Aufwand der Diözese Chur liesse sich nicht in Stundenlöh-nen beziffern, wie Wildhaber sagt. Lediglich für die Zusammenarbeit mit der Diözese in Verona zahlte man 100 Euro als symbolischen Beitrag.


130 Kilo Papier nach Rom gebracht


Im vergangenen Juli hat der Apostolische Administrator von Chur, Bischof Peter Bürcher, die Dokumente über Toni Zweifel in Schachteln verpackt und versiegelt. Das gesamte Material umfasst 13'000 Seiten und wiegt 130 Kilogramm. Damit ist die Schweizer Phase des Prozesses abgeschlossen. Im September fuhr Andreas Wildhaber die Schachteln persönlich nach Rom, womit die «römische Phase» eröffnet wurde. Die dortige Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen wird die Unterlagen prüfen, um die Tugendhaftigkeit Zweifels eindeutig festzustellen.


Dennoch wird es wohl noch Jahre dauern, bis Zweifel selig-, geschweige denn heiliggesprochen wird. Denn was noch fehlt, ist ein Wunder - neben der Tugendhaftigkeit die zweite Voraussetzung für die Seligsprechung. Für eine Heiligsprechung bräuchte es noch ein zweites Wunder. Bisher konnte man aber keine übernatürliche Gegebenheit einwandfrei auf einen Hilferuf an Toni Zweifel zurückführen.


Andreas Wildhaber ist optimistisch, dass dieses Ereignis noch eintritt: «Wunder kann nur der Herrgott alleine machen», sagt Wildhaber, «wir können sie lediglich fördern.» Wildhaber tat dies, indem er das Gebet an Toni Zweifel mitverfasste. Nun liegt es also bei den betenden Physikern, Ingenieuren und Informatikern und beim «Diener Gottes Toni Zweifel».


Was ist das Opus Dei?


Opus Dei wurde 1928 in Madrid vom inzwischen heiliggesprochenen spanischen Priester Jo-sémaria Escrivá gegründet. Das «Werk Gottes» ist eine römisch-katholische Einrichtung und stellt die Bildung und Seelsorge ins Zentrum. Obwohl der Schwerpunkt von Opus Dei im spanischen Sprachraum und Italien liegt, existieren auf der ganzen Welt von Opus Dei geprägte Bildungs- und Sozialinstitutionen wie Schulen, Berufsbildungszentren, Universitäten und Studentenhäuser. In der Schweiz hat Opus Dei 200 Mitglieder, die Hälfte davon in Zürich, wo Opus Dei zwei Studentenhäuser betreibt, eines für Männer und eines für Frauen. Die Fachstelle Infosekta ordnet Opus Dei dem katholischen Fundamentalismus zu. Die fun-damentalistischen Positionen zeigten sich etwa in einem Festungsdenken, im Verständnis des Kampfes gegen die moderne Gesellschaft, im Bewusstsein des Auserwähltseins und in der Betonung von Gehorsam und Unterordnung. Opus Dei verstehe sich als «unbefleckter Rest der wahren Kirche».


Quelle: Katrin Oller, Der Landbote vom 23.11.2020, S. 13

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