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Die Auswanderungsrouten der Glarner nach Wisconsin

In den Jahren zwischen 1850 und 1900 wanderten zahlreiche Glarner in die Vereinigten Staaten aus, motiviert von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der Suche nach besseren Lebensbedingungen und dem Streben nach neuen Möglichkeiten. Ihre Reiserouten führten sie über den Atlantik, durch die pulsierenden Hafenstädte wie New York und entlang beeindruckender Wasserstraßen wie dem Hudson River, dem Erie-Kanal und den Großen Seen. Manche wählten sogar einen abenteuerlichen Umweg über New Orleans und den Mississippi River, um schließlich in der grünen, einladenden Landschaft von Wisconsin zu landen.


Wie ich bereits in meinem Blog über Le Havre geschrieben habe, war dieser Auswanderungshafen im 19. Jahrhundert der mit Abstand wichtigste Ausgangspunkt für die Glarner Auswanderer nach Amerika.

 

Die Reise der Glarner Auswanderer von Glarus nach Le Havre in den Jahren 1860 bis 1900 war bereits deutlich einfacher und schneller als in den Jahrzehnten zuvor, da sich das Verkehrsnetz, insbesondere das Eisenbahnnetz, in Europa stark weiterentwickelt hatte. Die Nutzung moderner Transportmittel ermöglichte es den Auswanderern, die Reise in kürzerer Zeit und mit weniger Mühe zu bewältigen, als dies zuvor mit Flussschiffen und Pferdekutschen der Fall war.

 

Eisenbahnreise von Glarus nach Basel

 

In den 1840er- und 1850er-Jahren gab es in der Schweiz noch kein ausgebautes Eisenbahnnetz, sodass die Emigranten zunächst zu Fuß oder mit Pferdewagen die Strecke aus dem Tal hinaus bewältigen mussten.

 

Auch in den 1860er Jahren war die Schweiz noch nicht vollständig ans Eisenbahnnetz angeschlossen, doch ab 1879 gab es eine direkte Eisenbahnverbindung, die es ermöglichte, von Glarus aus die ersten größeren Verkehrsknotenpunkte zu erreichen. Zunächst mussten die Emigranten aus den Dörfern und Tälern des Glarnerlands zu einer der Eisenbahnstationen gelangen, beispielsweise in Ziegelbrücke oder Glarus.

 

1859 wurde Glarus erstmals an das Schweizer Eisenbahnnetz angeschlossen und 1875 wurde die Eisenbahnstrecke von Glarus aus weiter nach Süden verlängert, zunächst bis Schwanden, später dann weiter bis Linthal. Ziegelbrücke war bereits seit 1858 mit Zürich über die Strecke Rapperswil-Ziegelbrücke verbunden, was Glarus den Zugang zu den wichtigen Schweizer Handels- und Industriezentren wie Zürich und Winterthur ermöglichte. Diese Strecke war von zentraler Bedeutung, da sie nicht nur den Transport von Personen, sondern auch von Gütern, insbesondere von Produkten aus der florierenden Glarner Textilindustrie, erleichterte. Seit 1856 bestand auch die Bahnverbindung von Zürich nach Basel, einem wichtigen Knotenpunkt für die Auswanderung nach Le Havre, Antwerpen, Bremen und Hamburg.


Eisenbahnreise von Basel nach Le Havre

 

Basel war schon früh ein wichtiger Knotenpunkt für die Rheinschifffahrt. Viele Glarner Emigranten reisten vor dem Ausbau des Eisenbahnnetzes von Basel aus mit Flussschiffen den Rhein hinab. Diese Schiffe fuhren nach Köln, Düsseldorf oder bis zur Mündung des Rheins in die Niederlande. Von dort aus konnten sie entweder per Kutsche weiter nach Antwerpen gelangen oder in die benachbarten Hafenstädte reisen, um von dort auf dem Seeweg nach Le Havre oder Antwerpen zu kommen.

 

Mit der fortschreitenden Industrialisierung wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Eisenbahnnetz in Europa ausgebaut. Eine Eisenbahnverbindung von Basel nach Straßburg in Frankreich bestand bereits ab den frühen 1850er-Jahren, sodass Emigranten zunehmend diesen Weg nutzen konnten. Von Straßburg aus konnten die Emigranten weiter nach Paris oder direkt nach Le Havre reisen. Die Strecke von Paris nach Le Havre war seit 1847 durch eine direkte Eisenbahnlinie verbunden. Die Reise dauerte nur wenige Stunden und war eine der letzten Etappen der Reise nach Le Havre. Die Eisenbahninfrastruktur in Frankreich war in dieser Zeit bereits gut entwickelt, sodass die Auswanderer bequem und relativ schnell den Atlantikhafen erreichen konnten.

 

Ankunft in Le Havre und Abfahrt nach New York

 

Le Havre war im 19. Jahrhundert einer der wichtigsten europäischen Auswanderungshäfen, besonders für Schweizer und deutsche Emigranten (siehe meinen Blog über Le Havre). Bei der Ankunft in Le Havre mussten die Auswanderer auf ihr Schiff nach New York warten, was einige Tage dauern konnte. Le Havre war ein geschäftiger Hafen, und es gab viele Herbergen und Unterkunftsmöglichkeiten für die Reisenden, die auf ihre Abfahrt warteten.

 

Die Transatlantikreise von Le Havre nach New York dauerte zu dieser Zeit mit den immer leistungsfähigeren Dampfschiffen etwa 10 bis 15 Tage. Dampfschiffe hatten sich seit den 1860er-Jahren durchgesetzt, was die Seereise im Vergleich zu den Segelschiffen erheblich verkürzte und sicherer machte. Eine Überfahrt mit dem Segelschiff dauerte zuvor 30 bis 45 Tage.

 

Ankunft in New York

 

Die Glarner kamen in über 90% der Fäll in New York an, einem Hauptankunftsort für europäische Einwanderer. Sie durchliefen dort die Einwanderungsprozeduren, die damals noch in Manhattan (Castle Garden, der Vorläufer von Ellis Island) durchgeführt wurden. Für eine detailliertere Beschreibung des Einwanderungsprozedere siehe meinen Blog über Le Havre.

 

Reise von New York nach Milwaukee oder Racine

 

Zu dieser Zeit war es üblich, dass die Auswanderer nach ihrer Ankunft in New York mit verschiedenen Verkehrsmitteln weiterreisten.

 

Erste Etappe: Reise auf dem Hudson River und durch die Großen Seen

 

Die Auswanderer nutzten Dampfschiffe oder Frachtboote auf dem Hudson River nach Albany. Von Albany reisten sie auf dem Erie-Kanal nach Buffalo am Eriesee.

 

In Buffalo stiegen sie auf Dampfschiffe um, die über die Großen Seen (Eriesee, Huronsee und Michigansee) nach Milwaukee in Wisconsin fuhren. Milwaukee war zu damaliger Zeit einer der wichtigsten Ankunftshäfen für europäische Einwanderer in Wisconsin.

 

Die Reise auf dem Hudson River von New York nach Albany war der erste Abschnitt und wurde üblicherweise mit Dampfschiffen zurückgelegt und dauerte etwa einen Tag.

 

Nach der Ankunft in Albany stiegen die Reisenden auf Kanalboote um, die sie entlang des Erie-Kanals nach Buffalo am Eriesee brachten. Der Erie-Kanal war etwa 363 Meilen (584 Kilometer) lang und einer der wichtigsten Wasserwege des Landes. Die Reise auf dem Kanal dauerte typischerweise etwa 6 bis 7 Tage, abhängig von den Wetterbedingungen und der Geschwindigkeit der Boote. Die Dampfschifffahrt auf dem Kanal war relativ langsam, und es gab zahlreiche Schleusen, die Zeit in Anspruch nahmen.

 

In Buffalo wechselten die Passagiere auf Dampfschiffe, die über die Großen Seen fuhren, zuerst über den Eriesee, dann durch den Huronsee und schließlich über den Michigansee nach Milwaukee. Die Dampfschiffe der 1880er-Jahre waren bereits recht modern und zuverlässig. Die Fahrt von Buffalo nach Milwaukee über die Großen Seen dauerte etwa 3 bis 5 Tage, abhängig von den Wetterverhältnissen und den Zwischenstopps (zum Beispiel in Cleveland oder Detroit).

 

Zusammengenommen dauerte die gesamte Reise von New York nach Milwaukee etwa 10 bis 14 Tage, abhängig von Faktoren wie Wetter, Wartezeiten an den Schleusen des Erie-Kanals und der Geschwindigkeit der Dampfschiffe.

 

Diese Route war eine der häufig genutzten für Einwanderer und Reisende, die in den Mittleren Westen der USA wollten, bevor der Ausbau des Eisenbahnnetzes schneller und bequemer wurde. Alternativ dazu gab es bereits Eisenbahnverbindungen, die eine schnellere, aber teurere Option darstellten.

 

Reise von Milwaukee nach New Glarus

 

Nach ihrer Ankunft in Milwaukee oder Racine mussten die Siedler den Rest des Weges nach New Glarus, das etwa 200 Kilometer südwestlich von Milwaukee liegt, zu Fuß, mit Pferdewagen oder Ochsenkarren zurücklegen. Die Reise war mühsam, da es keine ausgebaute Infrastruktur gab. Die Straßen waren oft schlecht oder gar nicht vorhanden. Viele Siedler zogen in kleinen Gruppen weiter, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die letzten Etappen der Reise durch Wisconsin dauerten mehrere Tage bis Wochen, abhängig von Wetterbedingungen und dem Zustand der Wege.

 

Fazit

 

Die Reise von den Glarner Alpen in der Schweiz nach New Glarus, Wisconsin, umfasste eine lange und beschwerliche Seereise über den Atlantik, eine Dampfschifffahrt durch die Großen Seen und schließlich einen anstrengenden Landmarsch durch die Wildnis von Wisconsin. Es war eine strapaziöse und gefährliche Reise, die mehrere Wochen und Monate dauern konnte, aber sie führte die Glarner schließlich zu ihrer neuen Heimat im Mittleren Westen der USA.



Alternative Reiseroute über New Orleans und den Mississippi River

 

New York nach New Orleans (Seeweg)

 

Nach der Ankunft in New York konnten Auswanderer mit Dampfschiffen die Reise entlang der Ostküste und durch den Golf von Mexiko bis nach New Orleans antreten. Es gab regelmäßige Schiffsverbindungen zwischen New York und New Orleans, die insbesondere für den Warenverkehr genutzt wurden, aber auch Passagiere transportierten.

 

Die Schiffsreise von New York nach New Orleans dauerte in den 1880er-Jahren etwa 8 bis 10 Tage, abhängig von den Wetterbedingungen und dem Schiffstyp. Dampfschiffe, die auf dieser Route operierten, waren in der Regel zuverlässig, doch Stürme oder andere Verzögerungen konnten die Reise verlängern.

 

Von New Orleans den Mississippi hinauf

 

In New Orleans konnten die Reisenden auf Flussdampfer umsteigen, die sie den Mississippi River hinaufbrachten. Der Mississippi war einer der wichtigsten Wasserwege Nordamerikas, und die Dampfschifffahrt auf dem Fluss war im 19. Jahrhundert gut etabliert.

 

Die Fahrt von New Orleans über den Mississippi nach St. Louis, Missouri, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, dauerte etwa 7 bis 10 Tage, abhängig von der Geschwindigkeit des Dampfers und der Strömung des Flusses.

 

Von St. Louis aus fuhren Dampfschiffe oder Flussboote weiter den Mississippi und dann den Wisconsin River hinauf. Die Reise auf diesen Flüssen dauerte nochmals etwa 2 bis 3 Tage, bis die Reisenden das Gebiet von Wisconsin erreichten.

 

Von den Flüssen nach New Glarus (Landweg)

 

Nach der Ankunft in Wisconsin, typischerweise in Städten wie Prairie du Chien oder La Crosse, die am Mississippi lagen, mussten die Reisenden entweder über den Landweg weiterreisen oder die damals verfügbaren Eisenbahnverbindungen nutzen.

 

Die Fahrt von diesen Städten nach New Glarus konnte per Pferdekutsche oder Postkutsche erfolgen, wenn keine Bahnverbindung direkt verfügbar war. Ab den 1880er-Jahren gab es jedoch bereits Eisenbahnverbindungen nach Madison, Wisconsin, und von dort weiter in die Nähe von New Glarus. Diese letzte Etappe der Reise dauerte in der Regel 1 bis 2 Tage, je nach den verfügbaren Transportmitteln und der Streckenführung.



Gesamtdauer der Reise

 

Die gesamte Reise von New York nach New Glarus über New Orleans und den Mississippi hätte in den 1880er-Jahren etwa 18 bis 25 Tage gedauert. Dies hängt von der Verfügbarkeit der Transportmittel, den Wetterbedingungen und möglichen Verzögerungen während der Reise ab.

 

Obwohl diese Route deutlich länger war als die direkte Reise über den Erie-Kanal und die Großen Seen, könnte sie aus verschiedenen Gründen gewählt worden sein, so beispielsweise die Verfügbarkeit von Schiffsverbindungen nach New Orleans, die Möglichkeit, den Mississippi als schnellen Wasserweg zu nutzen oder Ausweichmöglichkeit bei saisonalen oder wetterbedingten Problemen auf anderen Strecken.

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