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Die prähistorische Besiedlung des Kanton Glarus

Beitrag von Hermann Bossi, Oberurnen


Das Gebiet des Kantons Glarus wurde erst spät von den Menschen für sich entdeckt. Während der Eiszeit war das gesamte Kantonsgebiet unbewohnbar, noch heute finden sich zahlreiche Spuren der damaligen Gletscheraktivität, z.B. in den Nagelfluh-Felsen in Niederurnen oder auch in Form der grossen Wall-Moräne, die heute den Seedamm zwischen Pfäffikon und Rapperswil bildet. Dieses Gebilde zeigt auch eindrücklich, wie weit die Gletscher damals vorgedrungen waren. Sollten sich dennoch früher Menschen im Glarnerland aufgehalten haben, so dürften diese Prozesse jeden Hinweis auf altsteinzeitliche Jäger vernichtet haben.


Die Steinzeit


Will man über die Steinzeit im Kanton Glarus sprechen, so gibt das wohl ein sehr kurzes Gespräch, denn es gibt eigentlich kaum etwas zu sagen. Während andere Teile der Schweiz während der Jungsteinzeit Besiedlungsspuren und Hinweise auf frühe Landwirtschaft aufweisen, fehlen solche Befunde für das Glarnerland weitgehend. Einzelne Pfeilspitzen, die man im Gebiet von Netstal sowie dem Burghügel von Oberurnen gefunden hat, verweisen immerhin auf die zeitweilige Präsenz neolithischer Jäger.

Im Vergleich zu anderen Schweizer Gegenden ist die Präsenz von Alteuropäern eher rar, also kann man davon ausgehen, dass weder die ursprünglichen Jäger und Sammler noch die aus Anatolien eingewanderten Ackerbauern und Viehzüchter sich im Glarnerland niedergelassen haben. Aber wieso eigentlich? Das Glarnerland wäre doch nach dem Abschmelzen der Gletscher offen gewesen.


Das stimmt allerdings nur zum Teil, denn das urzeitliche Glarnerland unterscheidet sich klar vom heutigen Zustand. So haben spätere Landwirtschaft, Rodung und insbesondere das Linth-Werk sowie der Bau von Staudämmen und Mauern das Bild des Kantons völlig verändert. Was aber hätte der Besucher der Steinzeit vorgefunden? Wälder und Sümpfe. So war die Region des Glarner Unterlandes und des Linthgebiets ein riesiger Sumpf, noch heute erinnert der Begriff Riet an diese Zeit, die noch nicht mal so lange her ist. Noch im Mittelalter und der frühen Neuzeit galten diese Gegenden als Malaria-Gebiet. Wo kein Sumpf war, da war das Tal mit dichten Urwäldern bewachsen. Somit bedeutet es, dass man nach der Überwindung der furchtbaren Sümpfe auch noch einen Kampf mit den Wäldern zu bewältigen hätte.


Somit blieb das Glarnerland wohl eher verwaist, es war einfach zu unwirtlich, und solange es einfacher zu erschliessende Gegenden gab, liess man es wohl eher links liegen.


Die Bronzezeit


Der Übergang von der Steinzeit zur Bronzezeit ist kein scharfer Vorgang, sondern erfolgte in jeder Region zu einer anderen Zeit. Auf jeden Fall kommt der neue Werkstoff nicht aus heimischen Landen, sondern wird von neu aus der Steppe einwandernden Menschen eingeführt. Diese prägen in der Bronzezeit zwei grossflächige europäische Kulturen, die Schnurkeramik und die Glockenbecher-Kultur.

Das Besondere an der Schweiz ist, dass sich in ihrem Gebiet die Grenze beider Kulturen befindet. Genetisch haben die etwas älteren Schnurkeramiker kaum Spuren in den heutigen Glarnern hinterlassen. Auch die vordringenden Glockenbecher interessierten sich wohl recht wenig für das Glarnerland, denn es ist keineswegs einladender geworden.


Trotzdem gibt es für diese Periode einige Funde, auch wenn sich das auf wenige Gegenstände wie ein Schwert und ein paar Nägel beschränkt. Praktisch alle Funde wurden im unteren Linthgebiet gemacht, allerdings muss dazu auch bemerkt werden, dass es auch kaum solche Forschungen in anderen Teilen des Glarnerlands gab. Ob Menschen aus der Bronzezeit sich auch in die Alpgebiete vorwagten, müsste noch erforscht werden.


Eisenzeit


Vor 3200 Jahren zerfiel die Kultur der Bronzezeit mit ihrem globalisierten Handelsnetz. Es war eine Zeit grosser Migrationen, und es gab auch Gegenden, z.B. die Poebene, die regelrecht entvölkert wurden (ein Exodus). In manchen Regionen folgte ein fast 400-jähriger Hiatus, die Menschen verlernten offenbar die Kunst der geschriebenen Sprache. In Mitteleuropa etablierte sich die grossräumige Urnenfelder Kultur. In dieser Zeit erfolgte der Umstieg auf ein neues Metall, das Eisen. Gegenüber der Bronze hatte es den Vorteil, dass man nur ein Erz brauchte, dass auch noch in höherem Masse verfügbar war. Die Gewinnung des Eisens bedurfte allerdings technischer Neuerungen, denn es bedurfte deutlich mehr Energie, um das Eisen zu gewinnen, als dies mit Kupfer und Zinn der Fall war.


So erholte sich die Gesellschaft vom Kollaps und war dank der neuen Technologie auch nicht mehr so stark auf den globalen Handel angewiesen. Und nach 400 Jahren begannen die Menschen in Griechenland und der Levante wieder zu schreiben, wobei Bestseller wie die Bibel und die Illias entstanden.


Nun ist es eine traurige Tatsache, dass der Kanton Glarus in Bezug auf die Eisenzeit kaum unzweifelhafte Funde aufweisen kann. Im Laufe der Jahrhunderte wich die Urnenfelder Kultur der Hallstatt-Kultur, und mit ihr begann die Ausbreitung keltischer Völker. Doch leider findet sich nicht viel, was physisch auf die vorrömische Zeit datieren liesse. Was aber erhalten blieb waren sprachliche Relikte, also Überbleibsel in Fluss- und Flurnamen. Und auch genetisch können die Glarner ihr keltisches Erbe nicht leugnen.

Die Verbreitung keltischer Toponyme lässt auf jeden Fall vermuten, wieweit die Kelten das Glarnerland in vorrömischer Zeit gekannt haben. So haben sie offenbar die Linth bis fast zu ihrer Quelle erforscht und waren auch die Namensgeber von Durnagel und Limmern. Die Flussnamen Sernf und Löntsch gehen auch auf keltische Wurzeln zurück, gleiches darf für das Klöntal angenommen werden.


Somit verdanken wir den Genen und der Sprache den Hinweis, dass die ersten, die wirklich Fuss im Glarnerland fassten, wohl die Kelten gewesen sind.


Die gallo-romanische Zeit


Mit dem Alpenfeldzug im Jahre 15 v.Chr. ändert sich die Fundlage. Zum ersten Mal finden sich physisch fassbare Spuren menschlicher Präsenz. Im Zuge der Eroberung der Ostschweiz wurden entlang des Weges, der den Walensee integrierte, eine Reihe von Wachtürmen aufgestellt. Auf Glarner Gebiet befindet sich einer davon, der heute das Fundement eines Bauernhauses in Filzbach neben dem Restaurant Römerturm bildet. Vergleichbare Türme befanden sich in Strahlegg in Betlis, wo später eine mittelalterliche Burg darüber gebaut wurde, sowie auf dem Biberlichopf, wo während des ersten Weltkrieges ein Bunker eingebaut wurde. Des Weiteren wurden römische Münzen in der Nähe der Letzimauer von Näfels gefunden, und es gibt auch Spekulationen, dass die Letzi eigentlich ursprünglich eine römische Anlage war. In der Nähe des Biberlichopf wurde im Linthgebiet auch die heute im Landesmuseum des Kanton Glarus ausgestellte Merkurstatue gefunden. In Hüttenböschen am Ufer des Walensee befand sich zudem ein galloromanischer Tempel.

Neben den eindeutigen archäologischen Spuren gibt es auch zahlreiche sprachliche Hinterlassenschaften. Ihre Verbreitung lässt erkennen, dass in der römischen Zeit deutlich mehr Gegenden erfasst wurden, als dies noch bei den Kelten der Fall war. Auch mehrere Ortsnamen deuten auf einen galloromanischen Ursprung hin, so sämtliche Talgemeinden des heutigen Glarus Nord, dann aber auch Glarus, Netstal und Sool. Verschiedene Gebirgs-, Gewässer- und Flurnamen verweisen ebenfalls auf diese Periode. Nach dem Niedergang der römischen Herrschaft wurden Teile des Sernftals von aus dem Vorderreintal einwandernden Romanen besiedelt, die ebenfalls reichlich sprachliche Spuren wie z.B. Camperdun eingefügt haben.


Alemannen


Eine weitere Erinnerung an die ursprünglich keltisch-römische Bevölkerung stammt schliesslich von den Alemannen, die z.B. den Walensee benannten, was nichts anderes als welscher See heisst, womit man die galloromanische Urbevölkerung meinte.


Es waren die Alemannen, die schlussendlich einen Grossteil des Kantons wirtschaftlich nutzbar machten. Doch es war wohl eher eine Vermischung als eine Verdrängung der Bevölkerung, denn im Mannesstamme ist die Glarner Bevölkerung deutlich weniger germanisch als keltisch.


Trotzdem prägten die Neuankömmlinge das Glarnerland, und ein Grossteil der Glarner Gemeinden, Berge, Bäche und Flure haben erst durch die Alemannen ihre Namen bekommen, sei es durch Nennung von Gründern wie in Luchsingen und Hätzingen, oder auch durch die Beschreibung der Urbarmachung durch Rodung (Schwändi, Schwanden, Betschwanden, Rüti etc.). Damit erzählen auch diese sprachlichen Relikte etwas über die Siedlungsgeschichte.

Vor allem prägten die Alemannen den Glarner Dialekt. Dieser gehört zu den so genannten südalemannischen Dialekten, die man früher als hochalemannisch bezeichnete, um sie vom nieder-alemannischen im Norden einerseits und dem höchstalemannischen im Süden andererseits abzugrenzen. Nun ist es aber nicht so, dass es nur einen Glarner Dialekt gäbe, so gibt es Sprechweisen, die sich mitunter nur auf ein Dorf beschränken. Es ist auch nicht schwierig, einen Sprecher aus dem Klein- und dem Grosstal zu unterscheiden. Und noch grösser ist die sprachliche Differenz zwischen der nördlichen und südlichen Kantonshälfte. Selbstverständlich hebt sich der Dialekt der Kerenzer Gemeinden nochmals deutlich von denen der Talgemeinden ab.


Diese sprachliche Abgrenzung entspricht auch etwa den genetischen Gruppen, die im Kanton Glarus zu erwarten sind, wenn wir die Genealogie heranziehen. Auch wenn es eine Tatsache ist, dass praktisch jeder Glarner auf die eine oder andere Art mit jedem andern Glarner verwandt ist, so gibt es doch auch Gebiete, in denen man «verwandter» ist. Ich hoffe, hier nicht allzu stark an Orwell zu erinnern. So lässt sich sowohl sprachlich als auch genetisch deutlich eine Grenze zwischen katholisch und protestantisch ziehen. Natürlich gibt es kein katholisches oder protestantisches Gen, es war eine Entscheidung, die jeder Ort, jede Familie, für sich selbst fällen musste. So befanden sich die Gemeinden Näfels und Oberurnen praktisch in einer inselartigen Situation.


Es gilt auch, dass es näher liegt, dass sich Bewohner des Kleintals untereinander heiraten, als dass sie ihre Partner in anderen Gegenden suchen. Gewisse Gemeinden wie Schwändi sind durch Ihre Lage ziemlich isoliert. Meist wurde innerhalb der gleichen Gemeinden oder zumindest Talschaft geheiratet, auch wenn es doch immer wieder Ausnahmen gab. Dennoch dürfte der Einfluss dieser wenigen Ausnahmen recht wenig auf das zu erwartende Bild einwirken.

Infolge der Situation kam es auch zu unterschiedlichen Verbindungen in die Gebiete ausserhalb des Kantonsgebiets. So gab es viele Verbindungen der katholischen Gemeinden mit dem Wäggital und der March sowie Amden, Schänis und Benken. Protestantische Glarner hingegen wählten oft Partner aus dem Rheintal, insbesondere als dieses eine Vogtei der Glarner war.


Das Glarnerland zeigt also im Kleinen, was bekanntermassen auch im Grossen gilt. Schlussendlich sind es die heutigen Menschen und die sprachlichen Hinterlassenschaften, die mehr über die Besiedlung des Kantons preisgeben als es die spärlichen Funde jemals könnten.


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